Können komplementäre und alternative Methoden helfen?

In den letzten Jahren hat die globale Gesundheitskrise durch COVID-19 nicht nur akute medizinische Herausforderungen mit sich gebracht, sondern auch langfristige gesundheitliche Folgen, die als „Long Covid“ oder Post-Akutes COVID-19-Syndrom bekannt sind. Dieses Phänomen, charakterisiert durch anhaltende Symptome wie Müdigkeit, Atembeschwerden und kognitive Beeinträchtigungen, wirft bedeutende Fragen bezüglich effektiver Behandlungsansätze auf. Angesichts der Begrenzungen konventioneller medizinischer Therapien wenden sich viele Betroffene komplementären und alternativen Methoden (KAM) zu. Doch inwiefern können solche Therapien tatsächlich eine wirksame Unterstützung bieten und welche wissenschaftlichen Belege existieren für ihre Effektivität und Sicherheit?

In diesem Beitrag geht es darum, die Rolle komplementärer und alternativer Methoden bei der Behandlung von Long Covid zu untersuchen. Dabei wird auf die wissenschaftliche Validierung dieser Ansätze eingegangen. Dieser Ansatz ist von entscheidender Bedeutung, da er nicht nur medizinische Fachkräfte, sondern auch Patienten dabei unterstützen kann, informierte Entscheidungen über ihre Behandlungsoptionen zu treffen.

Hintergrund

Das Deutsche Institut für Altersvorsorge und Statista führten im März 2023 eine Umfrage unter 1323 Menschen ab 18 Jahren aus Deutschland durch, um die Auswirkungen der Corona- Pandemie zu beleuchten. Im Fokus der Befragung standen die Folgen der Infektion, wie zum Beispiel neue Betrachtungsweisen von Alltagsproblemen.

Der nachfolgenden Grafik kann entnommen werden, dass gerade in der Altersgruppe der 18 bis 29- jährigen, sowie der 30 bis 39- jährigen verhältnismäßig viele Menschen angaben, selbst von den Auswirkungen einer Post-/Long Covid- Erkrankung litten.

Abbildung 1 Statista und Deutsches Institut für Altersvorsorge Umfrage: Leiden Sie oder Ihre nahen Angehörigen an den Folgen von Post-/Long Covid?

Definitionen

Post Covid

Post Covid umfasst Krankheitssymptome, die nach einer akuten COVID- Erkrankung auftreten und Wochen oder Monate danach abklingen oder anhalten und sich chronifizieren können und somit zu beträchtlichen Einschränkungen im Alltag und Berufsleben führen können.

Long Covid

Long Covid bezeichnet den Überbegriff von diversen Subtypen der Krankheitssymptome und unterschiedlicher Krankheitsentstehung. Es existiert mittlerweile eine Unterteilung (Yong & Liu, 2021). Darunter zählen Multiorgan-Spätschaden an Herz und Lunge, das Post-Intensive-CARE-Syndrom (PICS) und die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue Syndrom (ME/CFS).

Komplementäre und alternative Therapien

Komplementäre Therapien sind Heilmethoden, die auf anderen Behandlungsansätzen und Entstehungsmodellen von Krankheit aufbauen, als die der Schulmedizin. Hierunter zählen zum Beispiel die Traditionelle chinesische Medizin (TCM) oder Naturheilverfahren. Diese Methoden können als Ergänzung zur Schulmedizin unterstützend gesehen werden.

Alternative Therapien sollen als echte Alternativen zur Schulmedizin dienen. Das heißt, statt der Medikamente sollen beispielsweise Globuli verwendet werden.

Studie zu komplementären und alternativen Therapien bei Post-/ Long Covid

Eine Studie aus dem Jahr 2023 untersuchte die Wirksamkeit von komplementärer und alternativer Methoden (KAM) zur Behandlung von Long COVID (LC) (Yang, et al., 2023). Die Autoren führten eine systematische Überprüfung randomisierter kontrollierter Studien (RCTs) durch, um die Beweise für verschiedene KAM-Modalitäten zu synthetisieren, die bei LC-Symptomen eingesetzt werden.

Ziel war es, die vorhandene Literatur zu bewerten und alternative Behandlungsansätze zu konventionellen Methoden aufzuzeigen. Die Untersuchung umfasste verschiedene KAM-Interventionen wie olfaktorisches Training (Geruchstraining), Aromatherapie und inspiratorisches Muskeltraining und analysierte deren Auswirkungen auf Symptome wie neuropsychiatrische Störungen, olfaktorische Dysfunktion (Störungen des Geruchssinns), kognitive Beeinträchtigungen, Müdigkeit und Atemnot.

Untersuchte Interventionen

Die untersuchten Methoden zur Behandlung von Long COVID umfassen:

  1. Olfaktorisches Training: Verbesserung des Geruchssinns bei olfaktorischer Dysfunktion.
  2. Selbstverabreichte transkutane aurikuläre Vagusnerv Stimulation: Nicht-invasive Stimulation des Vagusnervs zur Linderung neuropsychiatrischer Symptome.
  3. Neuro-Meditation: Meditative Praxis zur Verbesserung kognitiver Beeinträchtigungen.
  4. Aromatherapie: Verwendung ätherischer Öle zur Förderung des Wohlbefindens und zur Symptomenlinderung.
  5. Inspiratorisches Muskeltraining (IMT): Stärkung der Atemmuskulatur zur Behandlung von Atemnot.
  6. Diätetische Ergänzungen: Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln wie Coenzym Q10 zur Gesundheitsunterstützung.

Diese Methoden wurden auf ihre Wirksamkeit und Sicherheit bei Symptomen wie olfaktorischer Dysfunktion, Müdigkeit, Atemnot und mild bis moderaten Lungenschäden untersucht.

Ergebnisse

Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass verschiedene Interventionen der komplementären und alternativen Medizin (KAM) möglicherweise wirksam und sicher für Patienten mit Long COVID (LC) sind. Besonders hervorzuheben ist, dass Interventionen wie olfaktorisches Training, selbst verabreichte transkutane aurikuläre Vagusnerv Stimulation, Neuro-Meditation, Aromatherapie, inspiratorisches Muskeltraining und diätetische Ergänzungen positive Auswirkungen auf Symptome wie olfaktorische Dysfunktion, Müdigkeit, Atemnot sowie mild bis moderate Lungenschäden zeigten.

Gleichzeitig wurde betont, dass die Ergebnisse mit Vorsicht betrachtet werden sollten, da die einbezogenen Studien methodologische Schwächen aufwiesen. Daher forderten die Autoren weitere gründliche und methodisch fundierte Untersuchungen, um die Wirksamkeit von KAM bei Long COVID besser zu beurteilen.

Fazit und Empfehlung

Informieren Sie sich über KAM-Methoden

Erforschen Sie verschiedene KAM-Interventionen wie olfaktorisches Training, transkutane aurikuläre Vagusnerv Stimulation, Neuro-Meditation, Aromatherapie, inspiratorisches Muskeltraining und diätetische Ergänzungen. Diese Methoden könnten potenziell hilfreich sein, um Ihre Symptome zu lindern

Konsultieren Sie Ihren Arzt

Bevor Sie mit einer neuen Therapie beginnen, sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder einem qualifizierten Gesundheitsdienstleister. Sie können Ihnen helfen, die für Sie am besten geeigneten Optionen zu identifizieren und sicherzustellen, dass diese mit Ihren bestehenden Behandlungen kompatibel sind

Seien Sie geduldig und realistisch

Die Wirksamkeit von KAM-Methoden kann von Person zu Person variieren. Seien Sie geduldig und setzen Sie realistische Erwartungen hinsichtlich der Ergebnisse

Achten Sie auf Ihre Symptome

Führen Sie ein Tagebuch über Ihre Symptome und die Auswirkungen der angewendeten KAM-Methoden. Dies kann Ihnen und Ihrem Arzt helfen, den Fortschritt zu überwachen und Anpassungen vorzunehmen

Suchen Sie Unterstützung

Ziehen Sie in Betracht, sich einer Selbsthilfegruppe oder einem Unterstützungsnetzwerk anzuschließen, um Erfahrungen auszutauschen und emotionale Unterstützung zu erhalten

Bleiben Sie informiert

Halten Sie sich über neue Forschungsergebnisse und Entwicklungen im Bereich KAM und Long COVID auf dem Laufenden, um informierte Entscheidungen über Ihre Gesundheit zu treffen

Diese Empfehlungen sollen Ihnen helfen, aktiv an Ihrer Genesung zu arbeiten und geeignete Behandlungsansätze zu finden, die Ihre Lebensqualität verbessern können.

Quellen

Yang, J., Lim, K. H., Lim, K. T., Woods, J. T., Mohabbat, A. B., Wahner-Roedler, D. L., . . . Bauer, B. A. (2023). Complementary and alternative medicine for long COVID: a systematic review of randomized controlled trials. Therapeutic advances in chronic disease. doi:10.1177/20406223231204727

Yong, S. J., & Liu, S. (9. Dezember 2021). Proposed subtypes of post-COVID-19 syndrome (or long-COVID) and their respective potential therapies. doi:10.1002/rmv.2315