Wie Wahrnehmung die Wirklichkeit verzerren kann und was das für Sie und uns als Therapeutinnen und Therapeuten bedeutet

Stimmt, oder? Wenn man es eilig hat, sind immer alle Ampeln rot!

Oder???

Was ist Confirmation Bias?

Übersetzen kann man Conformation Bias mit Bestätigungsfehler. Beispielsweise ist ein Confirmation Bias, dass die Ampeln immer rot sind, wenn man es eilig hat.

Es ist ein psychologisches Phänomen, dass wir versuchen, die Dinge zu bewerten, sodass sie zu unseren Annhamen passen.

Dazu gehört, dass wir uns auch nur an einzelne Dinge erinnern, die unsere Annhame bestätigen. Im Falle der roten Ampel fallen uns also all die Situationen ein, in denen wir es eilig hatten und alle Ampeln rot waren. Die Fälle, in denen die Ampeln ebenso rot waren, wenn wir es nicht eilig hatten, an die erinnern wir uns nicht. Oder aber an die Fälle, in denen wir es eilig hatten und die Ampeln grün waren, fallen uns auch nicht mehr ein.

Wir suchen also nach der Bestätigung für unsere Annahmen. Wir interpretieren aber auch Situationen so, dass sie zu unserer Annahme passen. Wir kommen auch nicht auf die Idee, Faktoren objektiv zu betrachten, um unsere Annahmen zu entkräften. Vielmehr noch ignorieren wir Fakten, die unsere Annahmen entkräften.

Es ist also das Bestätigen von vorhandenen Hypothesen.

Warum tun wir das?

Wir tun das, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. Durch psychologische Experimente konnte festgestellt werden, dass es eine Rolle spielt, dass Informationen, die zu unserer Annahme passen, besser erinnert werden können und auch höher gewertet werden, als unpassende. Außerdem wurde herausgefunden, dass Informationen, die unsere Annahmen widerlegen, gemieden werden.

Aktuell kann man Conformation Bias sehr gut anhand des Beispiels der Corona Pandemie erkennen. Oder kennen Sie nicht auch unzählige Menschen, die erkranken, obwohl sie geimpft sind? 😉 Das ist natürlich zynisch gemeint. Die Studienlage zeigt, dass die Impfungen wirksam sind und vor schweren Verläufen schützen. Dennoch suchen manche immer wieder nach der Bestätigung, dass die Impfungen nicht wirken.

Keine Kausalität

Es mag sein, dass Ereignisse gleichzeitig auftreten, aber man muss bedenken, dass nicht immer unbedingt eine Kausalität besteht.

Dies hat u.a. evultionäre Gründe, die nicht zwangsläufig negativ sind. Es ist nichts schlimmes, aus Erfahrungen, die man gemacht hat, Rückschlüsse für die Zukunft zu ziehen. Zum Beispiel, wissen wir, dass eine Herdplatte, die rot leuchtet wahrscheinlich heiß ist. Das ist eine Erfahrung, die wir in unserem Leben eventuell gemacht haben. Wir müssen das nicht jedes Mal aufs Neue prüfen.

Um Kausalität besser zu erklären, folgendes Beispiel:

Wenn zum Beispiel, durch ein verstärktes öffentliches Interesse an einer Erkrankung vermehrt Gesundheitsdienste in Anspruch genommen werden, kann es passieren, dass wir einem Confirmation Bias unterliegen.

Es ist nämlich nicht unbedingt so, dass der Schluss gezogen werden kann, dass nur weil die Zahl an Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten gestiegen ist, dies an einer erhöhten Anzahl an Erkrankten liegt. Das öffentliche Interesse an einer Erkrankung ist lediglich gestiegen

Als Beispiel kann man hier das verstärkte öffentliche Interesse an der chronischen Darmerkrankung Zöliakie nennen.

Dadurch, dass das Thema Zöliakie medial mehr Aufmerksamkeit bekommen hat, könnte man bei einfachen Magen Darm Problemen davon ausgehen, unter einer Zöliakie zu leiden, viele Argumente dafür, wenige dagegen zu finden und dann auf glutenfreie Lebensmittel umzusteigen. Die Lebensmittelindustrie hat sich in den letzten Jahren angepasst und bringt immer mehr glutenfreie Lebensmittel auf den Markt. Das kann möglicherweise unsere Wahrnehmung dahingehend verzerren, dass wir annehmen, dass es immer mehr Menschen gibt, die unter Zöliakie leiden.

Es könnte also passieren, dass Menschen mit Bauchschmerzen annehmen, sie seien an Zöliakie erkrankt. Somit unterziehen sie sich vermehrt Untersuchungen und Screenings, die eine Zöliakie nachweisen können. Das kann sich positiv auf die Früherkennung auswirken, dennoch aber auch die eigene Wahrnehmung oder eben aber auch Studien verzerren. Daher wird in Studien bestmöglich objektiv vorgegangen. Je mehr Faktoren in einer Studie vorliegen und beachtet werden, desto mehr kann von einer faktischen Tatsache ausgegangen werden.

Ein weiteres Beispiel hierfür ist auch, dass die Amerikanerin Jade Goody sich 2009 dazu entschied, mit ihrer Krebsdiagnose an die Öffentlichkeit zu gehen. Das führte dazu, dass sich sehr viel mehr Frauen daraufhin einem Krebsscreening unterzogen und somit viele Frauen frühzeitig behandelt wurden. Die Studienlage zeigte eine hohe Anzahl von Frauen, die sich solchen Screenings unterzogen. Es konnte hier eine direkte Kausalität festgestellt werden, zwischen Goodys Öffentlichkeitsarbeit und der Anzahl der Frauen, die sich untersuchen ließen. Denn traurigerweise wurde in einer Studie einige Jahre später festgestellt, dass die Anzahl der Frauen, die sich einem solchen Screening unterzogen haben, auf den Tiefpunkt gesunken war. Mehr dazu findet man unter „Jade Goody Effect“.

Was bedeutet das für Sie als Mensch mit Beschwerden?

Bleiben Sie bitte immer kritisch und so objektiv wie möglich. Versuchen Sie, zu erkennen, dass Sie möglicherweise dem Confirmation Bias auferliegen könnten, wenn Sie annehmen, dass bestimmte Beschwerden auf eine bestimmte Erkrankung hinweisen müssen und Sie dafür vielleicht tatsächlich auch Beweise finden. Stellen Sie sich hierbei immer die Frage:

Kann ich mit hundert prozentiger Sicherheit behaupten, dass das stimmt?

Hinterfragen Sie sich selbst, ob Sie vielleicht andere Argumente, die Ihrer Annahme nicht entsprechen, ausblenden. Überprüfen Sie die Studienlage, auch wenn diese nicht Ihren Annahmen entspricht.

Suchen Sie sich medizinsiche Unterstützung bei denen, die evidenzbasiert arbeiten und Sie nicht in Schubladen stecken.

Bleiben Sie auch bitte kritisch bei Aussagen, wie: „Rückenschmerzen, das hilft wirklich!“ Wirklich? Ihnen auch? Sind Sie sicher? Was genau sind diese Rückenschmerzen, von denen dieser Herr im Youtube Video erzählt?

Was bedeutet das für uns als Therapeutinnen und Therapeuten?

Gut ausgebildete, evidenzbasiert arbeitende, Therapeutinnen und Therapeuten, wissen um Confirmation Bias. Wir wissen zu differenzieren und achten genau darauf, unsere Patientinnen und Patienten nicht in die sogenannten Schubladen zu schieben, wir handeln nach bestmöglicher Objektivität und nach ebensolchen Studien. Wir denken differenziert und entwerfen bestmöglich individuelle Therapieansätze.

Wir wissen, klinische Tests auszuwerten und zu validieren. Wir achten auf limitierende Faktoren, die die Testergebnisse beeinflussen können.

Es gibt keine Schubladenbehandlung und kein 08/15 Standardprogramm für „den Schmerzpatient“ oder „die Schulterpatientin“, auch wenn Sie von diesen vermeintlichen Online Anbietern, oder selbsternannten Gurus auf Youtube und Social Media anderes hören.